«Hallo-Wach-Effekt» für Löw-Truppe in Wien

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    • 25.10.2007
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    «Hallo-Wach-Effekt» für Löw-Truppe in Wien

    Wien - Nach dem Abpfiff war der größte Ärger bei Wüterich Joachim Löw verraucht und der Bundestrainer brachte die groteske Situation nach dem klaren Sieg beim ersten EM-Probelauf perfekt auf den Punkt.
    «Wir sind nicht zufrieden mit einem 3:0 - und die Österreicher sind sehr zufrieden nach einem 0:3», erklärte Löw nach den bizarr anmutenden 90 Minuten im Wiener Ernst-Happel-Stadion, die drei Tore einbrachten - und noch mehr Fragezeichen.
    Vier Monate vor dem Beginn der Fußball-Europameisterschaft war allein die eiskalte Chancenverwertung durch Thomas Hitzlsperger (53.), Miroslav Klose (63.) und Mario Gomez (80.) titelverdächtig. Ansonsten sah auch Michael Ballack nach seinem wenig berauschenden Comeback im DFB-Team keinen Grund zur Schönfärberei: «Der Trend zeigt ein bisschen nach unten in den letzten Wochen und Monaten», sagte der Kapitän und warnte: «Da muss man aufpassen, dass man nichts schönredet, sondern wieder dort anfängt, wo wir bei der WM aufgehört haben und die Monate danach weitergemacht haben.»
    Den netten Herrn Löw hatte man als Cheftrainer noch nicht so erregt an der Seitenlinie erlebt, wo er sich selbst nach der Wendung zum Positiven in Durchgang zwei wie ein Wüterich aufführte. «Ich habe mich ganz besonders geärgert, dass wir nach dem 2:0 nicht die klare Ruhe und Präsenz in unserem Spiel hatten», sagte der 48-Jährige, der damit erahnen ließ, welche Tonlage er bei seiner Kabinenpredigt in der Halbzeitpause gewählt hatte. «Ich musste den Spielern schon klarmachen, dass wir geistig und körperlich zulegen und ein anderes Tempo anschlagen müssen», berichtete Löw.
    Der klare Sieg dürfte ihn mehr ins Grübeln gebracht haben, als ihm bei nur noch einem Spiel (26. März in der Schweiz) vor der Nominierung seines 23-köpfigen EM-Kaders lieb sein kann. «Wir müssen noch einiges tun, das ist klar», bekannte Löw. «Wir haben Österreich unterschätzt - und das haben wir zu spüren bekommen», gab Ballack zu. Die große Hoffnung der sportlichen Leitung ist, dass die Spieler den Abend im EM-Endspiel-Stadion und das schmeichelhafte Ergebnis als «Hallo-Wach-Effekt» einordnen, wie es Bundestorwarttrainer Andreas Köpke formulierte: «Jetzt wird auch dem Letzten klar sein, dass wir Österreich bei der EM nicht im Vorbeigehen besiegen werden.»
    Aufwachen muss auch Jens Lehmann, der insbesondere seine 90 Chaos- Sekunden mit Fehlern am Fließband herunterzuspielen versuchte. «Ich bin bei einem Ball zu spät gekommen», meinte der 38-Jährige, «dafür muss ich mich entschuldigen. Ansonsten haben wir es ganz gut hinbekommen.» Allein der Torschuss-Panik der jungen österreichischen Angreifer hatte es der Reservist des FC Arsenal zu verdanken, dass er ausgerechnet an diesem Abend mit nun 531 Länderspiel-Minuten ohne Gegentor den von ihm selbst gehaltenen deutschen Torhüter-Rekord verbessern konnte.
    Die hitzigen Diskussionen um sein Spielpraxis-Manko heizte er in Wien gewaltig an, auch durch seine Aussagen: «Wenn Deutschland nichts anderes zu diskutieren hat, dann ist es einerseits schön, weil wir sonst keine Probleme haben und ich kann damit leben», kommentierte Lehmann. Der Trainerstab sprach Lehmanns Fehler deutlich an, aber am Status der Nummer 1 mochte keiner rütteln. «Wir haben sehr viel Vertrauen zu ihm», sagte Löw. Lehmann profitiert einfach davon, dass er keinen hochkarätigen Konkurrenten im Nacken hat, wie er es selbst vor der WM 2006 für Oliver Kahn gewesen war.
    Lehmann bleibt ein EM-Risiko, aber es gibt noch mehr Baustellen. Ohne Christoph Metzelder, dessen Fußsohlen-Verletzung keine Heilungsprognose zulässt, ist das Bollwerk im Abwehrzentrum mit dem allein überforderten Per Mertesacker gesprengt. Zudem muss Löw hoffen, dass die lange verletzten Ballack und Bernd Schneider zu alter Form auflaufen, Bastian Schweinsteiger und Lukas Podolski beim FC Bayern ran dürfen und Torsten Frings rechtzeitig fit wird. Heiko Westermann, der wie sein Schalker Club-Kollege Jermaine Jones debütieren durfte, konnte sich nicht als EM-Alternative empfehlen.
    «Für die Trainer ist das eine sehr schwierige Zeit», erklärte Teammanager Oliver Bierhoff. Nur im Angriff, wo Anführer Klose mit Treffer Nummer 37 im 73. Länderspiel in der ewigen Rangliste mit Ex- Kapitän Bierhoff auf Rang sieben gleichzog, herrscht Luxus. «Wenn man so ein Spiel erlebt und hat nur noch vier Monate Zeit, da muss man sich einfach Gedanken machen», mahnte Ballack.
    Löw entließ die Nationalspieler in Wien mit einem eindringlichen Appell in die Heimatorte: «Die Basis muss verbessert werden in den nächsten 14, 15 Wochen. Als Spieler muss ich noch mehr Zeit und Training investieren, wenn ich zeigen möchte, dass ich bei der EM dabei sein möchte.» Ernst wird es für die 23 Auserwählten dann vom 19. Mai an im Trainingslager, betonte Löw: «Ich bin relativ gelassen, was die Europameisterschaft betrifft. Denn ich weiß, dass wir mit der Vorbereitung auf Mallorca genügend Zeit haben.»


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